MdB Anette Hübinger, saarländische Abgeordnete der CDU, spricht im Weihnachtsinterview über besinnliche Weihnachten, veraltete Ansichten und Gerechtigkeit statt Gleichheit. Warum die bekennende Katholikin teilweise erheblich von der Auffassung des Papstes abweicht, lesen Sie hier.

Interview: Frank M. Wagner

ET-MEDIA: Frau Hübinger, wie feiern Sie das Weihnachtsfest?

Hübinger:  Weihnachten feiere ich immer in der Familie, es ist für mich seit Kindesbeinen an das das absolute Familienfest. Natürlich hat es sich im Laufe der Jahrzehnte etwas gewandelt: Vom Kindsein, zum Selbst-Mutter-Werden verändert sich dann auch das Weihnachtsfest. Inzwischen leben die Eltern und Schwiegereltern nicht mehr, aber die Familie steht immer noch im Zentrum.

ET-MEDIA: Was heißt das konkret: Wer ist Heiligabend bei Ihnen zu Hause beziehungsweise wohin gehen Sie?

Hübinger: Heiligabend verbringe ich mit meinem Mann und meinem Sohn zu Hause oder bei meiner Schwägerin und Schwager. Am ersten Feiertag ist dann der Geschwisterbesuch angesagt. Ich habe noch drei Geschwister.

ET-MEDIA: Welche Bedeutung hat denn das Weihnachtsfest für Sie als bekennende Katholikin?

Hübinger: Das Weihnachtsfest ist für mich sowohl der Abschluss als auch der Neubeginn eines Jahres, denn an Weihnachten wird ja in unserem Glauben der Erlöser geboren, sprich: Es ist etwas Neues in die Welt gekommen. Für mich bedeutet das Fest daher zum einen das Rückbesinnen auf das Vergangene, aber auch das Schöpfen von Mut und Kraft für das neue Jahr, in dem wir uns unseren Aufgaben nochmal neu stellen.

ET-MEDIA: Feiern Sie das Fest dann dementsprechend auch ganz klassisch mit einem Weihnachtsbaum und Geschenken darunter? Bitte beschreiben Sie einmal die Situation.

Hübinger: Ja, früher war das so. Aber jetzt, wo man gar nicht mehr so oft zu Hause ist, fragt man sich, ob man noch einen Weihnachtsbaum braucht. Aber die Krippe stellen wir schon noch auf und wir dekorieren auch weihnachtlich. Geschenke unter dem Baum gibt es auch, aber nur für die Kinder. Das ist bei uns bereits seit Langem Tradition. Wir Erwachsenen schenken uns nichts.

ET-MEDIA: Wie ist das hier im Büro? Aktuell (30. November), sehe ich hier keinen Baum, Schmuck oder Ähnliches.

Hübinger: Wir haben Weihnachtsdekoration in unserem „Saar-Zimmer“, das ich gemeinsam mit meiner Abgeordneten-Kollegin Nadine Schön als Besprechungsraum nutze. Dort gibt es später auch kleine Geschenke für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Normalerweise habe ich hier im Büro auch Weihnachtsschmuck stehen. Allerdings bin ich in diesem Jahr während der Adventszeit nur sehr selten hier. Daher fällt das mehr oder weniger unter den Tisch.

ET-MEDIA: Ich habe gesehen, Sie leiten hier im Bundestag regelmäßig einen so genannten „Gebetsfrühstückskreis“. Was hat es damit auf sich?

Hübinger: Ja, der Kreis findet jeweils Freitagmorgen statt und ist interfraktionell. Das heißt, alle Abgeordneten, die sich einer bestimmten Werteorientierung zugehörig fühlen, sind eingeladen. Die Richtung ist grob durch den christlichen Glauben definiert. Dennoch sind bei uns natürlich auch Muslime, Juden und andere herzlich willkommen. Wichtig ist nur, dass die Abgeordneten eine gewisse Werteorientierung haben. Den Gebetsfrühstückskreis leite ich mit zwei Kollegen von der SPD und der FDP seit nunmehr zwei Jahren. In diesem Kreis lernt man die Kollegen mal etwas anders kennen, man begegnet sich als Christ und beleuchtet (politische) Probleme auf eine andere Art und Weise. Nämlich danach, wie man als gläubiger Mensch mit einem Thema umgehen muss und nicht nur als Politiker. Wir lernen die Kollegen ja sonst allein als politischen Gegner kennen. Bei uns steht allerdings der Mensch im Mittelpunkt. Und damit verändert sich die Umgangsart untereinander auch kolossal.

ET-MEDIA: Das heißt, Sie sprechen auf eine ganz andere Art und Weise miteinander?

Hübinger: Ja, und zwar auch in der Debatte. Man kann sagen, es ist plötzlich eine Art „Beißhemmung“ vorhanden. Man diskutiert zwar weiter hart an der Sache und erläutert auch, warum man vielleicht einen Weg nicht mitgeht. Aber es ist so, dass polemische und verletzende Agitationen bei denen, die regelmäßig in unserem Kreis vertreten sind, sehr, sehr selten bis gar nicht vorkommen. Wir tagen übrigens nicht-öffentlich. Damit schaffen wir die Möglichkeit, auch sehr vertrauliche Gespräche zu führen, über die nichts nach außen dringen soll.

ET-MEDIA: Sie sagten, der Kreis sei interfraktionell. Sind denn alle Fraktionen beteiligt?

Hübinger: Ja, jeder der teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen. Es ist nicht so, dass wir irgendjemanden ausgrenzen. Wir haben alle Kollegen zu Beginn dieser Legislaturperiode angeschrieben und in der Folge auch danach immer wieder auf diesen Kreis hingewiesen.

ET-MEDIA: Und sind denn de facto auch Vertreter aller Fraktionen im Kreis dabei? Ich denke da insbesondere an die Abgeordneten der Linken.

Hübinger: Ja, auch von der Fraktion die Linke sind Abgeordnete dabei.

ET-MEDIA: Beim Besuch des Papstes im Bundestag gaben sich ja gerade die Vertreter dieser Fraktion eher zurückhaltend. Es gab da bei dem einen oder der anderen durchaus gewisse Vorbehalte. Wie ist denn Ihr Verhältnis zum Oberhaupt der katholischen Kirche?

Hübinger: Ich unterscheide da sehr zwischen mir als Christin, die einer Kirche zugehörig ist und meinem Verhältnis zum Papst. Ich stehe ihm durchaus auch verhalten gegenüber, weil ich einen Teil seiner Ansätze als zu konservativ erachte. Aber wenn man es mal in Relation setzt, was es in andern Ländern – die nicht so freiheitlich sind wie wir – bedeutet, Glauben auszuüben, dann sehen wir, dass dort eine ganz andere Bindung vorhanden ist und auch eine ganz andere konservative Wertelinie. Diese gibt dort sehr viel Halt. Nach dem Besuch des Papstes war mir klar, dass sein Konservatismus nicht ein Aufoktroyieren ist, sondern eher darauf abzielt, erneut über den Glauben nachzudenken. In seiner Rede im Bundestag hat er deutlich gemacht, wo er den Glauben insbesondere auch in einer politischen Welt verhaftet sieht. Das hat mir sehr gefallen.

ET-MEDIA: Im Anschluss an den Papstbesuch haben Sie eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es heißt: „Für mich von besonderer Bedeutung war seine Aufforderung, das persönliche Interesse nach Geltung, Macht und Erfolg dem allgemeinen Interesse der Gemeinschaft unter zu ordnen.“

Hübinger: Genau, wir sind ja als Politiker nicht um unserer selbst Willen gewählt, sondern  um das Beste für unser Volk zu tun. Daher würde es nicht passen, wenn ich mein Ich in den Vordergrund stelle. Das Zurücknehmen ist dagegen vielmehr gefragt. Das habe ich auch in der Kommunalpolitik immer so gehandhabt. Hier auf dem Berliner Parkett fällt das natürlich schwerer, weil man hier ja regelrecht hofiert wird. Als ich beispielsweise ganz frisch als Abgeordnete in den Reichstag kam, stolperte ich über eine Fußmatte. Daraufhin habe ich mich umgedreht und den Abtreter mit dem Fuß zurückgeschoben. Dann kam sofort die Wache aus der Pförtnerloge und sagte: „Frau

Hübinger, das müssen Sie doch nicht machen, dafür sind wir da!“. Das sehe ich nicht so, ich bin durchaus dafür da, auch solche Dinge zu machen. Dafür brauche ich kein Personal. Aber wenn man permanent hofiert wird, läuft man Gefahr, sehr schnell zu vergessen, wer man eigentlich ist.

ET-MEDIA: Sie betonen, man müsse sich selbst zurücknehmen, insbesondere auch in Bezug auf das Thema Geltung. Ich kann mich erinnern, dass einer Ihrer Mitarbeiter einmal bei der Redaktion angerufen und nachgefragt hat, warum Ihr Porträt noch nicht veröffentlicht wurde. Ist es als Politiker also doch wichtig, zumindest medial eine Geltung zu haben?

Hübinger: Ja, man muss medial erscheinen, weil man ansonsten nicht wahrgenommen wird. Denn viele Bürger lesen Magazine und Zeitungen. Zugleich kann man natürlich auch bei vielen Vereinen, Veranstaltungen und Organisationen vor Ort sein und das mache ich ja auch. Aber die mediale Geltung würde ich nicht in den Vordergrund stellen. Ich wollte nur wissen, wann das Interview, das wir geführt hatten, erscheinen wird. Es ist aber nicht so, dass ich sage, ich muss überall unbedingt wahrgenommen werden oder präsent sein. Aber natürlich braucht ein Politiker auch Medien, um seine Meinung und seine politische Arbeit transportieren zu können.

ET-MEDIA: Kommen wir nochmal zum Papstbesuch zurück. Sie hatten angedeutet, dass Sie die konservative Haltung des Papstes nicht zu 100% billigen würden. Benedikt XVI hat sich bei seinem Besuch in Deutschland ja verblüffender Weise nicht besonders ausführlich zum Thema Ökumene oder zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geäußert.  Hat Ihnen da etwas gefehlt?

Hübinger:  In Richtung Ökumene ja. Denn als alternde und schrumpfende Gesellschaft wären wir vielleicht ganz dankbar für Signale gewesen, die deutlich machen, wohin die beiden Strömungen in einem gemeinsamen Leben des Christentums künftig tendieren. In Entwicklungsländern – ich bin ja Entwicklungspolitikerin – da sieht man das wahrscheinlich wieder total anders, weil dort genügend Kirchenmitglieder sind, die ihren Glauben halt noch auf diese Art und Weise leben. Zu den Missbrauchsopfern: Es ist die Frage, ob dieses Thema im Zentrum der Reise stand. Denn der Papst kam ja mit einer ganz anderen Intention nach Deutschland. Er wurde vom Bundestag eingeladen, er ist der erste deutsche Papst, der dort gesprochen hat und es wird hier sicher so schnell auch keinen zweiten mehr geben. Ich glaube, auf der Reise stand ganz einfach ein anderes Begreifen von Religion und Kirche im Vordergrund.

ET-MEDIA: Der Papst hat ja vor einigen Wochen Benin besucht. Auch da hat er sich wieder einmal nicht besonders umfassend zum Thema HIV-Infektionen geäußert. Er verfolgt nach wie vor die Linie, Enthaltsamkeit sei ein guter Schutz vor Krankheiten. Halten Sie dies auch für die beste Verhütungsmethode?

Hübinger: Als aufgeklärter Mensch weiß man, dass es noch viele andere Möglichkeiten gibt, sich vor Aids zu schützen, die auch wichtig und richtig sind. Ich kann den Papst aber insofern verstehen, dass er  mit Sicherheit nicht das Sexualverhalten um 50 Jahre zurückdrehen möchte, sondern vielmehr die Frage aufwerfen möchte, wie gehe ich mit meiner sexuellen Verantwortung um: Wenn Verhütungsmöglichkeiten hinsichtlich einer HIV-Infektion nicht möglich sind, ist es dann nicht besser, sich zu enthalten, als ein Risiko einzugehen? So würde ich das sehen. Und natürlich ist Enthaltsamkeit allein nicht die Lösung der Probleme.

ET-MEDIA: Das heißt, Sie selbst stehen auch Kondomen nicht kritisch gegenüber?

Hübinger: Um Gottes Willen. Kondome sind lebensschützend und lebensrettend. Auch anderen Verhütungsmitteln stehe ich nicht kritisch gegenüber.

ET-MEDIA: Stichwort Zölibat. Diese „Verhaltensmaßregel“ stammt ja aus einer Zeit, als die Position der Frauen in der katholischen Kirche noch deutlich schlechter war als heute. Wie stehen Sie zum Zölibat?

Hübinger: Ich muss Ihnen sagen, ich hätte nichts dagegen, von einem katholischen Seelsorger betreut zu werden, der verheiratet ist. Denn dieser bekommt noch einen anderen Aspekt vom Leben mit. Das Ziel der Kirche ist allerdings, dass sie die volle Konzentration auf das Priesteramt erreichen möchte, nicht nur auf die Seelsorge. Aber ich selbst würde mich auch einer anderen Richtung gegenüber sehr offen zeigen.

ET-MEDIA: Die Konzentration auf die Gemeinde ist wichtig, keine Frage. Jetzt muss ich allerdings ketzerisch anmerken, dass mein Bruder evangelischer Pfarrer und auch (mit einer Pfarrerin) verheiratet ist. Ihm als Protestant gelingt das Konzentrieren auch.

Hübinger: Ja, klar. Luther war früher auch verheiratet, die Priester waren verheiratet, Also ich kann mir nicht vorstellen, dass man in der heutigen Zeit noch sagen kann, katholische Priester würden ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden, wenn sie heiraten würden.

ET-MEDIA: Gehen wir einen Schritt weiter: Wie würden Sie Frauen als Priester sehen? Es gab ja früher das Argument, Frauen seien einmal im Monat „unrein“ und unter anderem deswegen wurde ihnen das Priesteramt ja auch verwehrt.

Hübinger: Ja, das ist ein sehr alt hergebrachtes Denken und sollte bei einem aufgeklärten Menschen nicht mehr im Mittelpunkt der Argumentation stehen. Wenn man sieht, wie viele Frauen sich heute in der katholischen Kirchen engagieren und diese alle wegdenken würde, dann würde die katholische Kirche zusammenbrechen. Das möchte ich jetzt einfach mal schlicht behaupten. Aber ich denke, die Zeit für Frauen im Priesteramt ist noch nicht reif, da müssen wir noch etwas arbeiten. Aber: Die Kirche hat sich gewandelt. Wenn immer weniger Männer Priester werden, dürfen vielleicht nachher irgendwann auch Frauen dieses Amt ausführen. Ich kenne ja auch genügend evangelische Pfarrerinnen. Und die machen ihre Arbeit nicht schlechter als ihre männlichen Kollegen.

ET-MEDIA: Apropos Kollegen: Einer ihrer Parteikollegen, Thomas Dörflinger, war bei der zweiten EFSF-Abstimmung im Bundestag nicht dabei, weil er einen Termin beim Papst hatte und diesen nicht absagen wollte. Hätten Sie auch so gehandelt?

Hübinger: Ja, hätte ich. Natürlich müssen die Mehrheiten gesichert sein. Denn wir sind ja nicht gewählt, um den Papst zu besuchen, sondern um unsere politische Arbeit zu machen. Aber wenn man frühzeitig angibt, dass man fehlt und die Mehrheiten vorhanden sind, dann hätte ich meinen Papstbesuch auch gemacht.

ET-MEDIA: Zumal die Mehrheiten in diesem Fall ja ohnehin gesichert waren, denn der Abgeordnete Dörflinger hätte ja gegen die Kanzlerin gestimmt. Sagen, Sie, was genau bedeutet eigentlich das christliche C in der CDU. Inwiefern ist die CDU christlich?

Hübinger: Wir orientieren uns am christlichen Menschenbild und nehmen den Menschen so an, wie er ist. Und wir richten unsere Politik nach dem aus, was unser Glaube, unsere Soziallehre uns mitgibt: Ein ausgeglichenes Handeln, starke Schultern müssen mehr tragen als schwache und es muss im Volk eine Balance hergestellt werden. Diese Punkte sind für mich wesentlich, wenn wir in unserem Land in einem sozialen Frieden leben wollen.

ET-MEDIA: Jetzt habe ich neulich einen Aufsatz gelesen, in dem erklärt wurde, das Christentum sei eher sozialistisch geprägt. Der Autor bezog sich vor allem auf die Nächstenliebe, das Teilen und darauf, dass alle das Gleichen haben sollten. Sehen Sie das  auch so?

Hübinger: Ich würde nicht sagen, alle sollen das Gleiche haben. Es soll gerecht zugehen. Gerechtigkeit darf man nicht mit Gleichheit verwechseln. Beispiel: Ich bin ja mit mehreren Geschwistern aufgewachsen. Alle vier haben die gleiche Erziehung genossen. Aber jeder ist charakterlich oder bezüglich seiner Auffassungsgabe anders und hat andere Neigungen. Und da muss der eine mal mehr bekommen als der andere, um jedem gleiche Chancen einräumen zu können.

ET-MEDIA: Ein schönes Schlusswort. Dennoch eine Frage zum Abschuss: Wie verbringen Sie denn jetzt die Zeit nach den Weihnachtsfeiertagen? Das Parlament tagt ja erst in der dritten Januarwoche wieder.

Hübringer: Direkt nach Weihnachten fahren wir in die Bretagne, um mal eine Woche auszuruhen und zu entspannen. Dort werde ich vor allem lesen. Denn ich finde, gute Politik funktioniert nur durch Nachdenken und die Zeit dazu muss man sich ab und an gönnen.

ET-MEDIA: Bleiben Sie denn telefonisch erreichbar?
Hübinger: Ja, für Notfälle.

ET-MEDIA: Und werden Sie zwischendrin auch etwas fernschauen?

Hübinger: Nein, nur die Weihnachtsansprache der Bundeskanzlerin und das Neujahrskonzert aus Wien werde ich anschauen. Und ansonsten bin ich absolut kein Fernsehschauer, da lese ich lieber.

Von EIC

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