Berlin, 3. Januar 2011: Nadine Schön ist trotz ihres noch sehr jungen Alters eine erfahrene Politikerin: Die 27-jährige sitzt nicht nur seit dem Herbst 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag. Sie war bereits von 2004 bis 2009 Mitglied des saarländischen Landtages.
Die Juristin, die vor ihrer Hochzeit mit Nachnamen „Müller“ hieß, tatsächlich aber nicht mit dem saarländischen Ministerpräsidenten verwandt ist, tritt beim Interviewtermin ebenso freundlich wie authentisch auf. Zum Gespräch trägt die 1,64 Meter große, blonde Frau ein schwarzes Jackett mit schwarzer Stoffhose, ein dunkles Oberteil und einen grau-schwarzen Schal mit Muster. Die Farbe schwarz passt natürlich zur politischen Gesinnung, tut der stylish-chiquen Optik der Abgeordneten aber durchaus keinen Abbruch, im Gegenteil. Ihr Stil wirkt weder aufgesetzt noch betont untertrieben, sondern für eine junge, moderne Volksvertreterin durchaus angemessen. Das ohnehin immer häufiger als obsolet erscheinende, klassische Politikerimage bedient sie, ähnlich wie der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel, ebenfalls nicht. Dass sie auch nach kumuliert über sechs Jahren Abgeordneten-Tätigkeit bei Land und Bund nicht abhebt, hat wohl auch mit der Anzahl der Ausschüsse und den politischen Themen zu tun, die sie in Berlin besetzt. Nadine Schön ist ordentliches Mitglied in gleich zwei Ausschüssen, dem für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und jenem für Wirtschaft und Technologie. Üblicherweise sind Abgeordnete regelmäßig Vollmitglied ausschließlich eines Ausschusses und Vertreter in einem zweiten. Die Saarländerin Schön ist zusätzlich zu ihren beiden Vollmitgliedschaften auch noch stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie in der 2. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt“.
Nun, doppelt so viele Mitgliedschaften wie sonst üblich bedeuten natürlich auch einen entsprechend größeren Arbeitsaufwand. Da verwundert es kaum, dass die Abgeordnete die Hauptstadt Berlin noch nicht ernsthaft wahrgenommen hat: „Die Stadt kenne ich noch durch ein Praktikum, bei dem ich vier Wochen in Berlin verbracht habe. Deshalb weiß ich, dass Berlin eine tolle Stadt ist“, lächelt sie. Während der Sitzungswoche bekomme sie von Berlin aber kaum etwas mit. Immerhin: „Demnächst kommt mein Mann für ein Wochenende in die Stadt. Dann wollen wir zusammen über einen der Weihnachtsmärkte gehen“, freut sie sich. Realisiert hat das Ehepaar Schön den Gang über den Weihnachtsmarkt gerade noch rechtzeitig am letzten Wochenende vor Weihnachten, passend zu vierten Advent. Zudem hat sich die Saarländerin vorgenommen, Berlin wenigstens ab und zu einmal am Wochenende anzuschauen, nachdem dies bislang zeitlich noch nicht möglich war. „Die Tage in den Sitzungswochen sind sehr lang. In meinem ersten Jahr als Bundestagsabgeordnete bin ich jetzt tatsächlich nur ein einziges Mal privat abends ausgegangen“ erklärt sie. Da helfe es auch gar nicht, dass sie in Berlin-Mitte direkt an der U-Bahn-Linie 2 wohne und von dort aus direkt in die Ausgehviertel am Prenzlauer Berg oder auch nach Kreuzberg fahren könnte. „Ich gebe zu, dass ich die Zeit, die dafür übrig bleibt, anfangs optimistischer eingeschätzt hatte“ sagt sie.
Der Strukturwandel im Blick
Doch die Arbeit als Abgeordnete fordert die gebürtige Lebacherin und lässt kaum Zeit für ein Privatleben wie es andere Frauen in ihrem Alter meist haben. Im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie kümmert sich Schön insbesondere um die Themen Ausbildung und Führungskräftenachwuchs, beziehungsweise um den Führungskräftemangel. In den letzten Wochen hat sie sich vor allem mit dem Spezialthema „Sicherheit von Kinderspielzeug“ beschäftigt. Im nächsten Jahr will Schön sich allerdings stärker dem Thema Technologie widmen, „weil dies für das Saarland aufgrund des Strukturwandels ein ganz wichtiger Aspekt ist“, sagt sie und führt aus: „Wir haben uns von Kohle und Stahl jetzt immer mehr in Richtung IT und Nanotechnologie entwickelt. Neue Technologien und der Technologie-Transfer sowie Unternehmensgründungen etc. waren schon als Landtagsabgeordnete meine Themen. Damal allerdings mehr aus Sicht der Hochschulen. Und im nächsten Jahr möchte ich das Thema nun mehr aus der Sicht der Wirtschaft angehen.“
Im Familienausschuss engagiert sich Nadine Schön für Themen wie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und „Gleichstellung“. „Das Schöne daran ist, dass es viele Schnittpunkte zu den Themen des Wirtschafts- und Technologie-Ausschusses gibt. Etwa bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder bei Frauen in Führungspositionen und auch bei Existenzgründerinnen“, erklärt sie.
Man merkt Ihr an, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch das Thema Wiedereinstieg nach der Eltern- oder auch der Pflegezeit wirklich am Herzen liegt. „In meinem Freundeskreis gibt es zum Beispiel viele junge Mamas, die das betrifft. Dadurch komme ich mit dem Thema „Wiedereinstieg in den Beruf“ auch unmittelbar in Berührung. Es geht hier um eine Aufgabe, die nur gemeinschaftlich mit den betreffenden Unternehmen, der Wirtschaft und der Politik angegangen werden kann. Flexible Arbeitszeitmodelle oder Weiterbildungsangebote, die vielleicht sogar während der Elternzeit oder auch der Pflegezeit stattfinden, sind Aspekte, die künftig gemeinsam gestaltet werden müssen“, fordert sie.
Die Öffentlichkeit außerhalb des Bundestages lässt Nadine Schön über Ihre Webseite und einen Newsletter, den sie während der Berliner Sitzungswochen online verschickt, an ihrer Arbeit teilhaben. Darüber hinaus nutzt Sie die neuen Medien auch über das Portal wer-kennt-wen. Und natürlich twittert sie: „In den Sitzungswochen geschieht das so etwa 4-5 mal am Tag. Ich will, dass die Bürger im Wahlkreis ein wenig verfolgen können, was ich hier mache, deswegen twittere ich gerne und auch viel.“ Überhaupt ist die Abgeordnete, die bei der Bundestagswahl 2009 den vierthöchsten Stimmenzuwachs an Erststimmen in Westdeutschland für sich verbuchen konnte, gut erreichbar: Das geschieht zum einen über die neuen Medien, zum anderen vielfach auch über Briefe, Anrufe und nicht zuletzt natürlich durch persönliche Gespräche vor Ort im Wahlkreis. Die Juristin versteht sich in diesem Zusammenhang ganz klassisch als Vertreterin des Volkes. Und von eben diesem möchte sie sich auch gar nicht abheben. So wird sie zwar durchaus immer wieder einmal zu Konzerten und anderen Events eingeladen. „Aber für mich ist es selbstverständlich die Eintrittskarte trotzdem selbst zu bezahlen. Wenn die anderen 200 Besucher das tun, mache ich das natürlich auch. Denn ich lebe mein Leben einfach so weiter, wie bisher auch. Und ich denke, meine Freunde und meine Familie können das auch bestätigen. Da hat sich eigentlich nichts geändert“.
Frank M. Wagner
ET-Media, Berlin