Ein Leben lang Sozi: Elke Ferner

Politik Dez 20, 2011

Ihr Büro ist abhörsicher und etwa doppelt so groß wie das eines durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten, der gerade seine erste oder auch zweite Legislaturperiode in Berlin verbringt. Der Blick aus dem Fenster fällt auf die Spree und wer auf den großzügig dimensionierten Balkon heraustritt – der mühelos einem guten Dutzend Erwachsener Platz bietet – kann linke Hand den Reichstag sehen. Der Weg dorthin am Fluss entlang dauert zu Fuß etwa 4 Minuten. Geübte Politiker und Besucher, die sich in den Katakomben unter den Bundestagsgebäuden gut auskennen, dürften die Strecke durch die diversen Keller in etwa der gleichen Zeit schaffen.

Elke Ferner 2011 auf dem Balkon Ihres Büros im Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestages. (c) Foto: Frank M. Wagner

Die saarländische Abgeordnete Elke Ferner kann die Strecke von ihrem Büro in der Wilhelmsstraße bis in den Plenarsaal inzwischen wohl auch mit verbundenen Augen zielsicher gehen. Schließlich ist die gelernte Programmiererin nicht erst seit gestern Mitglied des Deutschen Bundestages. Bereits seit 2002 – also seit drei Legislaturperioden – gehört sie dem Bundestag in Berlin an. Davor saß sie von 1990 bis 1998 als Abgeordnete schon einmal im Parlament, als dieses noch im Bonner Wasserwerk tagte. Damit gehört sie zu den erfahrensten Parlamentariern der Republik.

Über die Jahre hat Elke Ferner sich Funktionen erarbeitet, die für ihre SPD richtungsweisend, eben wichtig sind. So war sie beispielsweise von 1998 bis Ende 2000 beamtete Staatsekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, wie es damals hieß. Aktuell findet sich auf Ihrer Visitenkarte die Bezeichnung „Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion“. Hier ist sie für die Bereiche Gesundheit und Soziales zuständig. „Das war schon in der Großen Koalition nicht einfach und ist jetzt noch viel schwieriger. Denn jetzt erfolgt die Gesetzgebung vielfach auch über den Vermittlungsausschuss, wie zum Beispiel beim Vermittlungsverfahren zu den Regelsätzen“, sagt Ferner und ergänzt: „Das ist sehr zeitraubend, wie wir immer wieder sehen.“

Wenn Elke Ferner Pressemitteilungen zu „ihren“ Themen herausgibt, dann haben diese immer einen klarstellenden Charakter und kommen bisweilen auch als
Paukenschlag daher. Die Überschriften lauten etwa „Ferner: Kristina Schröder – Die Frau, die sich nicht traut“, „Ferner: Merkel knickt vor der Wirtschaft ein“
oder auch „Ferner: Kauders durchschaubares Spiel“. Keine Frage: Die 53 jährige Saarbrückerin kann Themen platzieren, Diskussionen anstoßen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit lenken. So verwundert es kaum, dass sie dem SPD Parteivorstand und auch dem Präsidium angehört. Die SPD-Homepage führt sie neben Heiko Mass, Thorsten Schäfer-Gübel und anderen in der Kategorie „Weitere Mitglieder des Präsidiums“. In dieser Funktion fliegt Elke Ferner jeden
Montagmorgen von Saarbrücken nach Berlin, um mit der Parteispitze um Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft oder Klaus Wowereit über die aktuellen poltischen
Themen zu sprechen. Die nötigen Flugtickets bucht sie in einem Saarbrücker Reisebüro, obwohl sie dies natürlich auch in Berlin tun könnte. „Aber ich
möchte, dass das Geld im Saarland bleibt“, sagt sie. Die Präsidiumssitzungen finden auch in den sitzungsfreien Wochen des Bundestages statt. Dazu kommen die
üblichen Termine, die wie bei den meisten Abgeordneten irgendwo zwischen Fraktions- und Ausschusssitzungen, dem Zusammentreffen mit Besuchergruppen,
Reden im Plenum und Veranstaltungen im Wahlkreis liegen. Für viele MdBs wird ein gesundes Privatleben aufgrund der Belastung oft schwierig, denn die
zeitlichen Einschränkungen nimmt nicht jeder Lebenspartner einer/eines Abgeordneten in Kauf. Im Falle von Elke Ferner ist dies kein Problem. Sie ist inzwischen
seit 33 Jahren verheiratet und wohnt mit ihrem Ehemann in Saarbrücken-St. Johann.

Ihre politischen Ziele steckt die Saarbrückerin ebenso gerne hoch wie weit. Sie ist aber bisweilen auch zufrieden, wenn sie dem Ziel manchmal wenigstens ein Stück weit näher kommt: „Das heißt, ich bin gerne bereit, auch mal einen – großen – Zwischenschritt einzulegen. Sonst hätte ich über all die Jahre auch
keine Gleichstellungspolitik machen können. Das frustriert sonst einfach“, sagt sie.

Elke Ferner 2011 am Schreibtisch in ihrem Büro als stv. Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, (c) Foto: Frank M. Wagner

Abgehoben ist die in Idar-Oberstein geborene und in Saarbrücken aufgewachsene Abgeordnete in all den Jahren als Mitglied des Deutschen Bundestages nicht. Sie
gehört vielmehr zu genau der Art von Politikern, die man sich beim Gespräch in der Kneipe genauso gut vorstellen kann wie im Altenwohnheim oder am Rednerpult des Bundestages. Das mag auch daran liegen, dass Elke Ferner alles andere als langweilig ist. Wenn Sie beispielsweise erzählt, wie ungemein bürokratisch der Einzug in ihre aktuellen Büroräume verlaufen ist, dann kommt dies sehr unterhalt sam rüber: „Wir haben hier im Boden unter einer Klappe verschiedene Steckdosen. Als ich dort etwas anschließen wollte, musste gemäß Vorgabe des Hauses erst ein Technik-Mitarbeiter kommen, der die Klappe aufschloss. Dann kam ein weiterer, der die Geräte einsteckte. Danach erschien wieder der erste, der den Deckel sicher im Boden verriegelte und schließlich abschloss. Da habe ich damals gesagt: ‚Das kann doch nicht sein, ich muss doch weiter an die Steckdosen herankommen können‘. Nein, dies sei aus Gründen der Abhörsicherheit nicht möglich, wie man mir sagte. Völlig absurd und teilweise schon abenteuerlich, wie bürokratisch der Bundestag organisiert ist“. Ferner
schmunzelt. Die Bodenhaftung hat sie auch nach vielen Jahren im Politikzirkus ganz offensichtlich nicht verloren.

Das mag auch daran liegen, dass sie eines der Kinder ist, die aus einfachen Verhältnissen stammen und über Bildung weitergekommen sind. Nach dem Abitur hat
sie nicht studiert. „Das hätten meine Eltern nicht bezahlen können“, sagt sie und ergänzt: „Es bedrückt mich aufgrund meiner eigenen Geschichte schon sehr,
wenn viele Kinder aufgrund ihres Namens, ihres Wohnortes oder ihrer familiären Verhältnisse benachteiligt sind.“ Sie fordert eine frühe Förderung und den
kostenfreien Zugang zu KiTas, wo die Kinder für die Schule fit gemacht werden. Längeres gemeinsames Lernen findet sie ebenfalls wichtig: „Denn ich halte das 10. Lebensjahr für viel zu früh, um zu entscheiden, welche weiterführende Schule für das Kind angemessen ist.“

Bei der Bundestagswahl 2017 kandidierte Elke Ferner nicht mehr, bis 2018 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit 2021 ist Ferner Vorsitzende von UN Women Germany.

Frank M. Wagner
ET-Media, Berlin

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