Berlin, 13. Dezember 2010: Als ich das Büro des Grünen-Abgeordneten Markus Tressel betrete, treffe ich auf einen 1,94 Meter großen Mann, der mit einem dunklen Anzug, einem hellen Hemd und schwarzen, ledernen Schnürschuhen bekleidet ist. Die Haare trägt er kurz und er verzichtet auf einen Bart. Zumindest auf den ersten Blick wirkt er nicht wie ein klassischer, grüner Abgeordneter. Mit seinen früheren Parteigenossen, die 1983 erstmals in den Bonner Bundestag einzogen, hat er optisch rein gar nichts gemein. Der Berater einer PR-Agentur oder der Geschäftsführer eines größeren Online-Unternehmens sieht in Berlin-Mitte durchaus nicht anders aus.

Zugegeben: Sein Hemd ist nicht konservativ hochweiß, sondern hellblau und die Krawatte fehlt. Aber ich sehe weder lange Haare, noch einen Zauselbart, Wollsocken oder Jesus-Latschen. Auch keine Turnschuhe, die als Reminiszenz an den früheren Bundesaußenminister Joschka Fischer taugen würden. Und das sprichwörtlich-grüne Strickzeug liegt dementsprechend ebenfalls nicht auf Markus Tressels Schreibtisch. Persönlichkeiten, die gerade nicht ihrem nur allzu oft zitierten Klischee entsprechen, wirken nicht selten doch gleich viel sympathischer als jene, die glauben, sich zwanghaft dem klassischen Typus des Ministers, des Journalisten oder eben des Abgeordneten anpassen zu müssen.
Letzteres tut der 33-jährige Markus Tressel, der schon seit 16 Jahren Mitglied bei den Grünen ist, in keiner Weise. „Ich habe nie etwas davon gehalten, dass man einen Grünen bereits an der Optik erkennen kann. Ich bin durch und durch Grüner, würde mich aber als ganz normalen Menschen betrachten. Ohne Strickzeug und ohne irgendwelche anderen Dinge, die man Grünen immer nachsagt. Ich laufe aber auch nicht jeden Tag im Anzug herum, sondern trage auch Jeans und Jackett“, sagt der Saarländer, der Obmann und Sprecher des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag ist. Er koordiniert diesen Politikbereich für die Grünen komplett. Dabei schätzt er vor allem das breite Themenspektrum, das dieser Bereich bietet. Seine Begeisterung für den Tourismus ist im Interview deutlich spürbar. Gefragt nach den konkreten Inhalten seiner Arbeit im Ausschuss betont Tressel, wie wichtig ihm der Deutschlandtourismus ist: „Wir entwickeln Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung im Tourismusbereich. Zum Beispiel: Was bedeutet Tourismus für die Regionalentwicklung oder auch für die ländliche Entwicklung? Wie kann man Tourismusdestinationen wie zum Beispiel den Schwarzwald oder den Harz (die im Ranking der Urlaubsziele weit zurückgefallen sind) neu positionieren? Das gleiche gilt in Teilen auch für den Alpenraum, wo es in den vergangenen 20 Jahren in einigen Bereichen eine Halbierung der Übernachtungszahlen gab.“

Tourismuspolitik ist für Markus Tressel nicht nur Wirtschaftspolitik, sondern zugleich auch Umweltpolitik, Nachhaltigkeits- und Klimapolitik. Als Tourismusobmann spricht er oft mit Verbänden und schaut sich viele Reiseziele an. „Dabei überlegt man zum einen, wie man dort etwas Neues machen kann. Das gilt durchaus auch für das Saarland, denn unser Bundesland hat hier noch Nachholbedarf. Und zum anderen prüft man auch, wie man in Anführungszeichen „alte“ Destinationen so gestalten kann, dass sie eine Zukunft haben.“
Neben seiner Arbeit im Tourismus-Ausschuss ist Tressel auch stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Und hier kommen wir dann tatsächlich wieder mehr zu den originären, grünen Grundlagen des Abgordneten: Die Themen „Urlaub auf dem Bauernhof“ oder „Urlaub im ländlichen Raum“ pusht er naturgemäß natürlich gerne.

Auch wenn Tressel der einzige Grünenvertreter des Saarlandes im Bundestag ist, fühlt er sich in der Hauptstadt dennoch nicht einsam. Er sei in seiner Fraktion gut verortet und hat auch zu seinen Kollegen aus Rheinland-Pfalz ein gutes Verhältnis. Diese gewähren ihm in quasi ihrer Landesgruppe manchmal ein wenig „ein heimeliges Asyl“.
Wirft man einen Blick auf Tressels Terminkalender wird schnell klar, dass im politischen Leben des Abgeordneten zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. 23 Termine weist der im Internet einsehbare Kalender allein für den Monat November aus und beschreibt damit nur die Gespräche, Interviews und Events, die außerhalb des Bundestages stattfinden. Bei dieser hohen Termindichte und dem damit zusammenhängenden Arbeitsaufkommen ist es nur folgerichtig, dass Tressel sich seine Wohnung in unmittelbarer Nähe seines Büros, nämlich nur etwa 1,5 km entfernt hinter der Berliner Charité gesucht hat.
So kann er morgens zu Fuß zur Arbeit gehen und abends auch wieder zurück, sofern es terminlich passt. Das ist Tressel sehr wichtig: „Wenn man den ganzen Tag im Büro sitzt – das sind manchmal 12-13 Stunden – dann will man auch einfach mal an die Luft“ sagt er.
Und wieder finde ich ein Zeichen klassisch grüner Gesinnung: Per Pedes statt mit dem Auto lautet die Devise. Die Fahrbereitschaft, die jedem Abgeordneten im gesamten Berliner Stadtgebiet sowie in Potsdam zur kostenfreien Verfügung steht, nutzt Markus Tressel nur dann, wenn es absolut notwendig ist. Zu den Abgeordneten, die sich gerne einmal durch die Stadt chauffieren lassen, um dann bei einer der angesagtesten Currywurstbuden im neu-schicken Prenzlauer Berg oder auch in Kreuzberg vorzufahren, gehört Tressel nicht.

Während der 33-jährige in den Sitzungswochen in Berlin arbeitet, lebt seine Frau weiter im Saarland. Beide sind seit gut zweieinhalb Jahren verheiratet und bekommen im Januar ihr erstes Kind. Seine Frau hält die Tatsache, dass Ihr Mann einen nicht geringen Teil seiner Zeit in Berlin verbringt, sehr gut aus: „Ich habe meine Kandidatur allerdings auch vorher mit ihr besprochen. Denn ich bin nicht der typische Karrierepolitiker, der alles opfern würde, um politisch weiter zu kommen. Sie hat dann unter der Voraussetzung, dass ich nicht die nächsten 20 Jahre hier bleibe, zugestimmt“.
Nach gut einer Stunde endet mein Gespräch mit dem Grünenpolitiker Markus Tressel. Ich gebe zu: Im Vorfeld des Termins hatte ich schon noch ein wenig an das Grünen-Bild im Kopf, das überengagierte Lehrkräfte in den 1980ern und grüne, zumeist weibliche Kommilitonen Mitte der 1990er bei mir hinterlassen hatten: Ich erinnerte mich an Forderungen wie den Austritt aus der Nato, selbst gebatikte T-Shirts und nicht zuletzt an den Benzinpreis-Vorschlag der Grünen von 1998: Fünf Mark. Den Abgeordneten Markus Tressel bringe ich mit diesen teilweise absurd wirkenden Schlaglichtern meiner Erinnerung nicht in Verbindung. Hätte ich mein Bild von den Grünen nicht schon vor einigen Jahren revidiert, so hätte ich es spätestens nach dem Interviewtermin heute getan.

Von EIC

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