Archive: Mai 31, 2017

Delta Airlines ist zurück: Der Markt mit den Flugverbindungen in die USA wächst

New York City und Berlin rücken enger zusammen. Mit Delta Airlines kehrt eine Fluggesellschaft nach Tegel zurück, die neben Air Berlin und United Airlines eine weitere Direktverbindung in den Big Apple anbietet.

Von Frank Wagner

Es ist Freitag, 10:46 Uhr, die Sonne scheint, das Thermometer zeigt angenehme 22 Grad. Am Flughafen Tegel setzt erstmals seit 2011 wieder eine Maschine der amerikanischen Fluggesellschaft Delta Air Lines auf. Die Boeing 767-300, die gut acht Stunden zuvor am New Yorker Flughafen John F. Kennedy gestartet ist, landet 14 Minuten zu früh in Tegel. Mit ihrem Erstflug will Delta in den Wettbewerb um Urlauber und Businesskunden mit Berlin-Bezug auf beiden Seiten des Atlantiks einsteigen. Der Markt der Flugverbindungen in die USA und auch von dort nach Berlin ist für die Airlines attraktiv: Laut einer Statistik von „VisitBerlin“, Berlins offizieller Marketing-Organisation, waren die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr mit über 1,1 Millionen Besuchern der drittgrößte Kernmarkt für Berlin. Die Besucherzahl für 2016 ist damit um 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. „Berlin wird bei den Amerikanern ein immer beliebteres Reiseziel“, erklärt Kent Logsdon, Gesandter der Botschaft der Vereinigen Staaten in Berlin, und fährt fort: „Berlin ist auch ein wachsender Technologie-Knotenpunkt. Die neue Flugverbindung wird daher hoffentlich auch die sich entwickelnde New York-Berlin-Verbindung zwischen Unternehmern und Wagniskapitalgebern weiter verbessern“.

Mit Blick auf die deutschen Touristen betont Logsdon bei den Feierlichkeiten zum Erstflug, dass die USA und insbesondere New York schon lange ein beliebtes Ziel für Menschen aus Berlin seien. Die aus- und einreisenden Touristen seien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für beide Länder und brächten wichtige Abstrahleffekte hinsichtlich Profiten und Jobs: „Wir gehen davon aus, dass jeweils 40 Touristen aus Deutschland etwa einem Job in den USA entsprechen“, so der Gesandte. Im Jahre 2015 konnten die USA einen Rekord von 2,3 Millionen Besuchern aus Deutschland verzeichnen, eine Steigerungsrate von zehn Prozent – und das sechste Wachstumsjahr in Folge.

Wettbewerber United und Air Berlin

Um die Attraktivität der Berlin-USA-Verbindungen weiß man auch bei United Airlines, deren Maschine jeden Morgen um 9:40 Uhr nach New York, genauer gesagt zum Flughafen Newark im benachbarten New Jersey, aufbricht. Die US-Fluggesellschaft teilte sich die Gäste auf der Strecke bislang nur mit Air Berlin. Das Berliner Unternehmen flog dabei stets den Flughafen JFK an, zuletzt sogar zweimal pro Tag. Fast zeitgleich mit der Rückkehr von Delta Air Lines reduzierten die Berliner ihr Engagement jedoch auf eine Verbindung pro Tag.

Trotz der beiden Wettbewerber in Tegel rechnet Delta sich gute Marktchancen aus, wie Nat Pieper, der als Senior Vice President Alliances (zu deutsch: „Ressortleiter Allianzen“) für die Airline tätig ist, erklärt: „Zunächst einmal haben wir einen hervorragenden Hub, also ein starkes Drehkreuz am Flughafen JFK, das noch viel stärker als vor fünf Jahren ist“. Darüber bringt die Airline Reisende nahtloser als je zuvor zu ihren Anschlussflügen. Berliner Fluggäste können so zügig in New York umsteigen, um dann mehr als 60 bequeme Umsteigeverbindungen nach Nordamerika, Lateinamerika und in die Karibik zu nutzen. Zu den Top-Anschlussverbindungen für Reisende aus Berlin zählen Chicago, Miami, Los Angeles, San Francisco und Toronto. Um ein besonders bequemes und angenehmes Flughafenerlebnis zu ermöglichen, hat Delta 1,4 Milliarden US-Dollar in den Flughafen JFK investiert. Das Ergebnis ist unter anderem ein hochmodernes Terminal 4, das seit Januar 2015 mit insgesamt 27 Flugsteigen, zahlreichen Schaltern und Check-In-Automaten für den schnellen Umstieg sowie beliebten Geschäften und Restaurants aufwartet.

Eine schnelle Umsteigemöglichkeit ist eminent wichtig, um auch mit Blick auf die Wettbewerber attraktiv zu sein. Air Berlin fliegt zwar nicht die genannten 60 Ziele des Konkurrenten Delta an. Dafür bietet die deutsche Airline allerdings fünfmal pro Woche Direktflüge von Tegel nach Miami. Zudem sind die Destinationen San Francisco und L.A. seit Mai dreimal bzw. viermal pro Woche als Nonstop-Verbindung im Programm. Und Chicago, der zweitgrößte US-amerikanische Flughafen, wird fünfmal in der Woche direkt von Air Berlin angeflogen.

Zuverlässigkeitsrekord bei Delta

Das gut funktionierende Delta-Drehkreuz am Flughafen JFK und auch die soliden Partnerschaften mit Air France und KLM sind nicht die einzigen Unterscheidungsmerkmale zu manchen Wettbewerbern, die Reisende bei der Auswahl ihres Carriers in Betracht ziehen dürften. Einen wichtigen Bestandteil des Services bei Delta stellt daher auch die Verlässlichkeit der Flugverbindungen dar.

Verspätungen und Ausfälle sind bekanntermaßen immer ein großes Ärgernis für Urlauber und Städtereisende. In ganz besonderer Weise gilt dies jedoch für Businessgäste: Wer einen engen Zeitplan hat und ein wichtiges Meeting wegen eines gecancelten Fluges verpasst, läuft Gefahr, viel Geld oder gar ganze Projekte zu verlieren. Daher legen Geschäftsreisende regelmäßig gesteigerten Wert auf eine hohe Zuverlässigkeit. Und hier kann Delta Air Lines mit einem Rekordwert punkten: „An mehr als 200 Tagen gab es gemessen an den letzten 365 Tagen keine einzige Flugstornierung innerhalb der gesamten Airline“, erklärt SVP Pieper. Der Wert datiert vom Jahresende 2016 und stellt eine Leistung dar, die keine andere Airline erreicht hat. Verlässlichkeit ist den Unternehmenslenkern wichtig. Pieper: „Wir haben eine Menge Geld in die Pünktlichkeit unserer Flugzeuge investiert“.  Delta fliegt mit 800 Flugzeugen 323 Destinationen in 59 Ländern an.
In Großbritannien hat die Fluggesellschaft unlängst den Preis für die beste Airline für Business-Reisende gewonnen, in den USA bekommt sie seit vielen Jahren regelmäßig den „Business Traveller Award“

Für die Gäste der Business Class, die bei der amerikanischen Fluggesellschaft mit dem Begriff „Delta One“ bezeichnet wird, präsentiert Nat Pieper auf der Pressekonferenz in Tegel eine spezielle „launch fare“, ein Einführungsangebot. Konkret bedeutet dies, dass der New-York-Flug in der Business Class seiner Airline bereits für unter 1.300 Euro zu haben ist. Üblicherweise sind für diese Klasse bei nahezu allen Wettbewerbern mindestens rund 2.000 Euro fällig, teilweise sogar mehr als das Doppelte dieser Summe.

Insgesamt ist der Anteil Geschäftsreisender zwar sehr wichtig für die Fluggesellschaft, doch gerade im Sommer spielen auch die Urlaubsgäste und Familien eine entscheidende Rolle. Um die neue Route profitabel zu betreiben, braucht die Fluggesellschaft beide Gruppen. Sowohl die Businessgäste, die pro Kopf mehr Geld einbringen, als auch die Economy Reisenden, die deutlich weniger für ihr Ticket zahlen müssen.

Berlins Wirtschaft profitiert

Beim Delta-Erstflug in Tegel ebenfalls vor Ort ist Burkhard Kieker, Geschäftsführer von VisitBerlin. Er lobt die wirtschaftliche Relevanz der neuen Verbindung: „Jeder Interkontinentalflug hat eine große wirtschaftliche Bedeutung, er zieht hunderte Arbeitsplätze nach sich und hilft natürlich, die Berliner Wirtschaft international noch besser zu verbinden“, so Kieker. „Früher mussten wir die Airlines überzeugen, nach Berlin zu fliegen, inzwischen kommen sie von selber und so muss es auch sein.“ Kieker rechnet mit einem langfristigen Engagement von Delta, das über den Flugplan der Sommersaison hinausgehen dürfte. Der Markt habe sich inzwischen verändert: „Neben dem touristischen Markt haben wir eben auch verstärkt Geschäftsreiseverkehr aus dem Start-up Bereich, aus dem produzierenden Gewerbe und auch seitens der politischen Amtsträger. Das wird helfen und ich bin sicher, dass Delta schon bald das ganze Jahr über durchfliegen wird“.

Die Boeing 767 der Delta Air Lines hat an diesem Freitagmorgen mittlerweile ihre Wassertaufe durch die beiden links und rechts der Maschine postierten Fahrzeuge der Flughafenfeuerwehr überstanden und ihre Parkposition am Gate A 01 erreicht. In knapp zwei Stunden geht es zurück nach New York.

36. Evangelischer Kirchentag in Berlin: Christliche Werte, Bibelarbeit und Barack Obama

Vom 24. bis 28. Mai wird Berlin zum zentralen Ort der Christinnen und Christen in Deutschland. Dann findet hier der 36. Evangelische Kirchentag statt, zu dem mehrere hunderttausend Gäste erwartet werden.

Von Frank M. Wagner

Es ist eine Großveranstaltung, die ihresgleichen sucht und sogar die Dimensionen des Papstbesuches 2011 in Berlin übertreffen dürfte:  Fünf Tage lang werden über 100.000 Dauerteilnehmer und weitere 15.000 Tagesgäste den  36. Evangelischen Kirchentag besuchen. Dem Motto des Treffens dürften die Besucher daher alle Ehre machen, es lautet „Du siehst mich“. Mit der alttestamentlichen Losung begegnet die evangelische Kirche der Sehnsucht vieler Menschen danach, gesehen und angenommen zu werden. Insgesamt sind rund 2.100 Veranstaltungen sind geplant, darunter Bibelarbeit, Konzerte, Diskussionsrunden oder auch das gemeinsame Singen neuer Kirchentagslieder. Die meisten Programmpunkte können die Teilnehmer in Berlin wahrnehmen. So findet beispielsweise der Eröffnungsgottesdienst am Abend vor dem Himmelfahrtstag, also dem 24. Mai, auf dem Platz der Republik am Reichstag statt. Hier wird unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert vor Ort dabei sein. Parallel gibt es zwei weitere Gottesdienste in der Stadt: einen international und ökumenisch geprägten vor dem Brandenburger Tor und einen weiteren für Groß und Klein am Gendarmenmarkt. Allein für diese drei Veranstaltungen rechnen die Initiatoren mit 140.000 Besuchern. Im Anschluss an die Gottesdienste folgt rings um deren Orte das Straßenfest „Abend der Begegnung“, zu dem bis zu 300.000 Menschen erwartet werden. „Es liegt eine erwartungsfrohe Spannung über der Stadt, die beim Abend der Begegnung in den Straßen und Gassen vibriert“, sagt Sirkka Jendis, Pressesprecherin des Kirchentages und fährt fort: „Während der nächsten drei Tage wird sich die Kirchentagsgemeinde fröhlich, mitunter singend, in vollen Bussen und Bahnen drängen, sich routiniert den Weg von Messehalle 7.1 nach 10.3 bahnen und immer wieder stundenlang auf Papphockern sitzen.“

Die größte Feier des Christentreffens findet jedoch weder in den Berliner Messehallen noch im Regierungsviertel statt. Nein, passend zum 500-jährigen Reformationsjubiläum wird es am 28. Mai einen Festgottesdienst auf den Elbwiesen in Wittenberg geben. Ganz in der Nähe hatte Martin Luther im Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Schlosskirche genagelt. Zur Abschlussveranstaltung am Sonntagmittag wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die Lutherstadt kommen. Über Berlin und Wittenberg hinaus finden von Donnerstag bis Samstag sechs weitere Kirchentage in acht Städten statt, die unter dem Motto „Kirchentag auf dem Weg“ stehen. Sie sind vor allem für Teilnehmer und Interessierte gedacht, die von weit her zum Festgottesdienst nach Wittenberg anreisen und zwischendurch Station machen wollen. Jede der Städte wie etwa Leipzig, Magdeburg, Erfurt oder Dessau-Rosslau feiert mit einem eigenen Programm 500 Jahre Reformation.

Viele Prominente

Der 36. Evangelische Kirchentag weist eine sehr hohe Prominentendichte auf. Dabei finden sich auf der Gästeliste durchaus nicht nur die Namen Lammert, Steinmeier und natürlich Merkel. Auch andere Spitzenpolitiker und Prominente sind vor Ort. So erscheinen etwa zur Bibelarbeit, die von Donnerstag bis Samstag  als konkurrenzloses Event jeweils von 9.30 bis 10.30 Uhr auf dem Programm steht, auch Katrin Göring-Eckhardt, Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble, Hannelore Kraft und Winfried Kretschmann. Sie werden ihre Interpretation ausgewählter Bibelstellen genauso vorstellen wie der Kabarettist Eckhart von Hirschhausen, Wise Guy Edzard „Eddi“ Hüneke, der Schriftsteller Bernhard Schlink oder die Bürgerrechtlerin und Autorin Freya Klier.

Barack Obama spricht

Die absolute Nummer eins der prominenten Gäste wird allerdings der ehemalige US-Präsident Barack H. Obama sein. Ein echter Weltstar, sieht man einmal vom eigentlichen Star der Veranstaltung, Jesus Christus ab. Auch wenn natürlich der Glaube und dessen Ausstrahlung auf das tägliche Handeln der Menschen im Mittelpunkt des Kirchentages stehen soll, dürfte der 55-jährige Ex-Präsident wohl viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und zum Publikumsmagneten avancieren. Am Vormittag des Himmelfahrtstages, also dem 25. Mai, wird Obama am Brandenburger Tor auftreten. Dort will er mit Bundeskanzlerin Merkel über das Thema „Engagiert Demokratie gestalten“ diskutieren.

Obama ist Protestant, hat in der Kirche „Trinity United Church of Christ“ (UCC) in Chicago geheiratet und seine beiden Töchter dort taufen lassen. Als Präsidentschaftskandidat trat er 2008 aus dieser Kirche aus und distanzierte sich damit von seinem Pastor Jeremiah Wright. Dessen wiederholte Hasstiraden hatte er zuvor als „aufhetzerisch und erschreckend“ verurteilt. Seinen Glauben gab Obama damit allerdings nicht auf. Im Gegenteil, er gründete einen Kreis bestehend aus fünf evangelischen Pastoren, mit denen er am Telefon betete, die Rolle der Religion in der Politik diskutierte oder sich Rat holte. Für ihn blieb der christliche Glaube daher stets eine wesentliche Basis, Leben und Politik zu gestalten sowie möglichst friedlich miteinander umzugehen.

Für die Macher des Kirchentags ist es ein echter Supercoup, den ehemaligen amerikanischen Präsidenten für das Christentreffen gewonnen zu haben. Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm hatte Obama im Mai 2016 zu einem Besuch nach Deutschland anlässlich des Reformationsjubiläums eingeladen. „Letztlich war die Einladung ein Zusammenspiel von EKD, Kirchentag, Kanzleramt und Auswärtigem Amt“, erklärt Pressesprecherin Sirkka Jendis. „Die Teilnahme von Präsident Barack Obama  am Kirchentag in Berlin auf einem gemeinsamen Podium mit der Bundeskanzlerin zum Auftakt des Reformationssommers unterstreicht wie international wir 500 Jahre Reformation feiern“, so Jendis. Sie betont, dass die christlichen Kirchen ein globales zivilgesellschaftliches Netzwerk von über zwei Milliarden Christinnen und Christen bildeten, das gestärkt durch die  feste Hoffnung auf eine bessere Welt sei. „Wer fromm ist, muss auch politisch sein“, bringt die Sprecherin den Zusammenhang von Kirchentag und Politik auf den Punkt.

Christliche Werten und Politik

In der Diskussionsrunde am Brandenburger Tor dürfte Obama auf die christlichen Werte als tragende und tragfähige Basis für Politik und Demokratie eingehen. Hier zeigt sich auch der Zusammenhang zwischen dem Kirchentag und der Politik beziehungsweise der Demokratie: Wer für Christliche Werte steht und versucht, diese entsprechend zu leben, transportiert damit auch sein Verständnis von Demokratie. Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au: „Ich bin gespannt, was er uns rät, wie wir Christinnen und Christen uns einbringen können, wie wir die Zivilgesellschaft angesichts der Umbrüche in der Welt stärken können. Wie er Mut machen kann und zwar konkret: Dass es wesentlich ist, sich für Demokratie einzusetzen und dafür, dass allen die gleiche Würde und die gleichen Rechte zukommen.“

Nicht nur für aktive Christen

Der fünftägige Kirchentag bedeutet Mitmachen. Die Teilnehmer suchen gemeinsam mit kompetenten und prominenten Referenten Antworten auf die Fragen der Zeit und der Gesellschaft: „‘Wie wird Frieden?‘ oder ‚Wie entwickelt sich weltweit die Flüchtlingslage‘?, gehört zu diesen Fragen, oder auch: ‚Wie begegnen wir politischen Stimmungen in unserem Land‘? „Aber genauso wird Flirten ein Thema sein, das Zusammenleben der Geschlechter diskutiert und überlegt, was es heißt, in der Großstadt zu leben“, sagt Sprecherin Jendis. Darüber hinaus wird es Konzerte mit Max Giesinger, Yvonne Catterfeld sowie die Uraufführung einer Sinfonie mit geflüchteten Musikern geben, daneben viele Ausstellungen und den großen „Markt der Möglichkeiten“, wo sich verschiedene Initiativen vorstellen und sich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Die Tageskarte für den 36. Evangelischen Kirchentag kostet 33,- Euro (ermäßigt: 18,- Euro), die Abendkarte ab 16 Uhr nur 16,- Euro. Eine Dauerkarte für alle Tage liegt bei 98,- Euro (ermäßigt 54,- Euro), Die Familienkarte gilt für Eltern mit Kindern bis 25 Jahre (oder Großeltern und deren Enkel) und kostet 158,- Euro. Tickets gibt es unter www.kirchentag.de

Wirtschaftsboom und teilweise Vollbeschäftigung: „In Thüringen wird gerockt“ – meint Ministerpräsident Bodo Ramelow

Nach der Wende hat sich Thüringen wirtschaftlich gut entwickelt. Seit zweieinhalb Jahren regieren dort nun Die Linke, SPD und Grüne. Frank Wagner sprach mit Ministerpräsident Bodo Ramelow über die wirtschaftlichen Erfolge seines Landes und Rot-Rot-Grün als Vorbild für den Bund.

Herr Ministerpräsident, Ende April haben Sie im Rahmen der größten Industriemesse der Welt in Hannover noch einmal deutlich gemacht, wie es um die Wirtschaft ihres Landes Thüringen bestellt ist. Wie gut steht das Land da?

In puncto Arbeitslosigkeit ist Thüringen bei einer Größenordnung von rund 25 Prozent gestartet. Das heißt, jeder Vierte und damit mindestens einer in der Familie war arbeitslos. Inzwischen liegt die Quote bei aktuell 6,6 Prozent. Im Jahresdurchschnitt werden wir den Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland unterschreiten. Wir sind jetzt schon Platz Eins in den Neuen Ländern. Und in Südthüringen haben wir Arbeitsmarktzahlen mit einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent. Das ist Vollbeschäftigung. Wir haben Pendler aus dem Fränkischen, die ins Thüringische zur Arbeit fahren.

Vor 25 Jahren war das ja noch umgekehrt.

Damals sind Menschen jeden Morgen aus Eisenach mit dem Bus zu Neckermann nach Frankfurt gefahren. Heute gibt es kein Neckermann mehr, aber auch keinen Menschen mehr, der nach Frankfurt zur Arbeit fahren würde. Umgekehrt kommen jedoch Menschen aus Hessen zum Arbeiten nach Thüringen.

Das heißt Thüringen punktet inzwischen nicht mehr nur mit der Natur und diversen kulinarischen Köstlichkeiten, sondern vor allem mit der Industrie.

Jeder nimmt das Land zunächst einmal als das grüne Herz wahr, was wir auch sind. Wir haben einen riesigen Waldbestand mit einem geschlossenen Waldgebiet von 470.000 Hektar. Aber tatsächlich sind wir Industrieland. Wir definieren uns nach innen über Bratwurst oder unseren Kloß, aber in der Industrie sind wir mittlerweile ganz vorne dabei.

Was bedeutet das in Zahlen?

60 Firmen in Thüringen sind Weltmarktführer – und zwar kleine und mittelständische Betriebe. Wir haben keine Großkonzerne. Wir haben einen Dax-Betrieb, das ist Jenoptik. Das Land Thüringen hat eine Dichte von Industriearbeitsplätzen – in 1.000 Einwohnern gerechnet – mit der wir Platz 4 in Deutschland erreicht haben. Bezüglich der Dichte von Industriebetrieben sind wir auf Platz 1 in ganz Deutschland, auf 1.000 Einwohner gerechnet, man muss kleinere und größere Bundesländer in Relation betrachten. In Jena haben wir eine Forscherdichte, die einmalig in Deutschland ist. Das heißt auch, mit Jena oder Ilmenau haben wir Forschungseinrichtungen, die ganz vorne mitspielen. Deswegen sage ich: Thüringen, da steppt der Bär, da rockt es! Deswegen glaube ich: Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Thüringen der Westen des Ostens ist.

Welchen Anteil hat denn die rot-rot-grüne Landesregierung an diesem Erfolg des Landes Thüringen?

Erst einmal ist es so, dass die Wirtschaft den Anteil am Erfolg hat. Und viele Landesregierungen, alle vorherigen, haben die Rahmenbedingungen für diese Wirtschaftsentwicklung ermöglicht. Wir haben an der Wirtschaftspolitik überhaupt nichts geändert. Wir haben auch die Form, in der wir Akzente setzen, eher so organisiert, dass wir den kurzen Draht zu Unternehmen und Unternehmern halten. Auch der Ministerpräsident ist bekannt dafür. Also, meine Telefonnummer dürfte bei sehr vielen Unternehmen bekannt sein, um auch im Zweifelsfall mal über einen ganz kurzen Draht an Themen zu arbeiten, bei denen der kurze Draht hilft.

…und der kurze Draht bedeutet konkret was?

Das heißt: Kurze Wege bei Verwaltungsentscheidungen, gute Begleitung der Akteure, die alle dafür sorgen, dass diese Wirtschaft sich so entwickelt. Das bedeutet auch: keine ideologischen Debatten über den Eingriff von Politik in Wirtschaft, sondern umgekehrt: die Rahmenbedingungen für Stabilität herbeizuführen. Aber ehrlich gesagt, es gehört auch ein guter Draht zu den Gewerkschaften dazu. Denn Wirtschaft braucht auch immer den Ausgleich zu Arbeitnehmern, zu den Betriebsräten. Und ich lege schon Wert darauf, dass in allen Betrieben Betriebsräte stark in der Mitbestimmung dabei sind. Denn es gibt keinen besseren Garant für Erfolg, als einen offenen Prozess mit seinen Arbeitnehmern anzugehen, um so immer wieder nach besseren Zukunftschancen zu suchen.

Sie haben gesagt „keine ideologischen Debatten“. Wenn genau die unterblieben, könnte Rot-Rot-Grün ja gegebenenfalls auch auf Bundesebene regierungsfähig werden, so wie es bei Ihnen im Land Thüringen der Fall ist?

Erstmal ist es so, dass wir eine Landesregierung und in Landesthemen stark sind. Dann muss man erwähnen, dass wir die Chance hatten, eine Landesregierung zu bilden, weil die CDU, die 25 Jahre die Regierung geprägt hat, so am Ende war, dass die Wählerinnen und Wähler sie nicht mehr wollten. Insoweit ist also auch die Schwäche der CDU ein Mitgarant dafür, dass Rot-Rot-Grün entstehen  konnte. Und eine dritte Bemerkung: Im Bund müssen die Parteien, die ein rot-rot-grünes Bündnis schließen wollen, vorher über trennende Themen reden, auch über komplizierte Themen, wie Nato, wie Kriegseinsätze, Militärpolitik, Waffenexporte. Solche Themen muss man vorher klar und transparent besprechen: Was trennt die drei Parteien? Denn es geht mir nicht um eine Einheitspartei oder ein breites linkes Bündnis, abgekürzt „BreiLiBü“, das hilft überhaupt niemandem. Das, was wir brauchen, ist die klare Kante der drei Parteien.
Aber es gibt ein paar Themen, bei denen ich mir wünschen würde, dass diese drei Parteien sie stärken. Zum Beispiel die Mitbestimmung in den Betrieben. Oder dass die Frage der Lohnentwicklung so im Vordergrund steht, dass kein Mensch am Ende seines Lebens mehr in Armut leben muss, also unter Armutsbedingungen in Rentenabhängigkeit kommt, wo er dann wieder staatliches Geld in Anspruch nehmen muss. Da sind ein paar Themen nachzubearbeiten. Und meine Überzeugung ist auch, dass eine moderne Bürgerversicherung uns allen nützen würde. Also: Jeder zahlt ein, auch der Ministerpräsident, auch der Freiberufler, jeder zahlt von jeder Einkommensart ein, die er hat. Dann würde das Sozialversicherungssystem, das sich über alle Systeme, über alle Kriege, alle Krisen bewährt hat, wieder auf ein starkes Fundament gestellt, so dass wir die Spaltung der Gesellschaft deutlich überwinden könnten.

Wie realistisch ist es denn, dass die noch offenen Punkte zwischen SPD, Linken und Grünen auf Bundesebene geklärt werden können?

Ich will den Glauben daran und meine Hoffnung darauf immer wieder wiederholen. Am Ende müssen es ganz viele Akteure wollen und die drei Parteien zunächst einmal über eine eigene Mehrheit verfügen. Am Ende muss der Wähler entscheiden, ob er sich ein Votum vorstellen kann oder nicht. In diesem Sinne ist Thüringen ein Beispiel: Wir zeigen, dass es geht. Wir zeigen, dass das Land nicht zusammenbricht. Wir zeigen, dass die rot-rot-grüne Regierung nun inzwischen seit zweieinhalb Jahren die Geschicke unseres Landes steuert. Und wir können immer wieder darauf hinweisen, dass es funktioniert.

Wobei es ja in jüngster Zeit in Ihrem Land ein paar Probleme gibt. Damit meine ich nicht nur den Wechsel einer Landtagsabgeordneten von der SPD zur CDU sondern auch Spannungen innerhalb der Koalition, über die berichtet wird.

Wir arbeiten als Koalition entspannt zusammen. Ich lese und höre manchmal in Zeitungen, wo es bei uns Spannungen gebe. Ich bin dann immer ganz erstaunt, dass ich die nicht mitgekriegt habe. Wenn ich nicht Zeitung lesen würde, dann würde ich gar nicht mitbekommen, dass es sowas geben soll. Die Koalition hat sich zu  Eigen gemacht, dass drei Partner auf gleicher Augenhöhe ihre Prozesse debattieren und ins Kabinett kommt nur, was vorher schon vereint ist. Deswegen gibt es im Kabinett auch keinen Streit.

Zurück zum Bund: Haben wir denn überhaupt eine Wechselstimmung im Land, die dafür sorgen könnte, dass es ab dem 24. September einen Politikwechsel gibt?

Das sah mal so aus, dann sah es wieder nicht so aus. Ich hatte eine Zeit lang das Gefühl, dass Frau Merkel völlig unbeliebt wäre. Mittlerweile steigen ihre Beliebtheitswerte wieder an. Ich habe erlebt, dass nach der Nominierung von Martin Schulz der Schulz-Effekt als neue Erfindung aufkam. Und jetzt erlebe ich die Normalität.
Ich denke, als ich in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, gab es keine Wechselstimmung, es gab nur einen Frust über die CDU. Und am Ende haben wir die Chance genutzt. Es wäre gut, wenn es nach der Bundestagswahl keine weitere Große Koalition gäbe. Und ich werde meinen Teil dazu tun und darum kämpfen, dass eine rot-rot-grüne-Option eine gute Alternative zu einer Großen Koalition ist, wo sich CDU und CSU gegenseitig bekämpfen, die SPD immer frustriert an die Seite geschoben wird (um sich dann bockig wieder zurück zu melden), und wo Frau Merkel am Ende dann immer wieder einen Formelkompromiss formuliert. Ich glaube, das hilft unserem Land nicht.

Ein letzter Test für die Bundestagswahl wird ja die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sein. Ihre Prognose?

Ich erinnere mich an eine Wahl in 2005, da war NRW die Testwahl für den Bundestag, weil der damalige Bundeskanzler zurückgetreten ist, um dadurch Bundestagswahlen einzuleiten. Das Ergebnis war nicht gut für die Partei, die das Manöver gefahren hat. Deswegen sehe ich NRW nicht als Test für irgendetwas. Landtagswahlen sind Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl brauchen wir eine klare Ansage: Es gibt Alternativen zur Großen Koalition und dafür will ich werben.