Gut zwei Jahre lang war Annegret Kramp-Karrenbauer Parteivorsitzende der CDU. Im Interview mit Frank Wagner spricht sie über ihre Zustimmungswerte, den Unterschied zwischen der Bundespolitik und dem Saarland und darüber, warum sie manche Dinge deutlicher als Angela Merkel aussprechen kann.

Interview: Frank Wagner

Frau Kramp-Karrenbauer, nicht nur in der Bundespressekonferenz auch in der gesamten Republik ist der Fortbestand der GroKo ein Dauerthema. Wie lange hält die Koalition noch?

Die Koalition gibt es jetzt seit einem Jahr, der letzte Koalitionsausschuss war eine ganz unspektakuläre Arbeitssitzung. Das ist erstmal ein gutes Zeichen. Die Umfragen in der eigenen Partei und auch außerhalb machen sehr deutlich, dass sich die Menschen wünschen, dass die Kanzlerin weiterhin Kanzlerin bleibt. Das ist auch mein Wunsch. Wir sind alle gewählt worden, um zu regieren, das ist eine hohe Verantwortung, die wir haben. Und es muss sich jetzt zeigen, ob diese Große Koalition auch die Substanz hat, mit neuen Herausforderungen fertig zu werden, sollten die Zeiten mit Blick auf die Haushaltslage, die wirtschaftliche Entwicklung schwieriger werden. Ich würde mir das wünschen, aber das wird man eben in den nächsten Monaten sehen. Für die CDU kann ich nur sagen, unserer Interesse ist es, dass diese Regierung erfolgreich arbeitet.

Und die SPD wäre ja auch schlecht beraten auszusteigen, weil sie dann ja vermutlich nicht erneut in Regierungsverantwortung käme.

Das muss die SPD für sich entscheiden, das ist eine eigene Angelegenheit der Sozialdemokraten.

Sie sind aber nach wie vor jederzeit bereit, das Amt der Regierungschefin zu übernehmen?

Die oder der CDU-Vorsitzende hat immer die Aufgabe, diesen Prozess von vorne weg zu führen und das habe ich erklärt. Das ist mir sehr bewusst gewesen, als ich mich zur Wahl gestellt habe. Das ist eine hohe Verantwortung und diese nehme ich auch in die Hand.

Nun gab es unlängst Zahlen vom ZDF-Politbarometer, wonach Ihnen aktuell nur 34 Prozent die Kanzlerschaft zutrauen, 51 Prozent sagen dagegen, Sie seien als Kanzlerin ungeeignet. Was ist da los?

Also, zum einen ist es natürlich schöner, wenn man bessere Zahlen hat, das ist überhaupt keine Frage. Aber zum Anderen werde ich jetzt vor allen Dingen als Vertreterin einer Partei wahrgenommen und damit auch als jemand, der in einer politischen Kontroverse steckt. Das verändert dann auch persönliche Bewertungen. Solange sich die CDU in den Umfragen verbessert – das war bei uns mit Blick auf die politische Stimmung und die Europawahl der Fall – ist für die Vorsitzende alles okay.

Am Anfang hat man Ihnen unterstellt, Sie könnten eine „Merkel 2.0“ werden und „Alles“ würde weitergehen wie bisher. Tatsächlich geben Sie ein durchaus anderes Bild ab. Gehören dazu vielleicht auch ein paar thematische Tabubrüche, mit denen Sie deutlich machen, dass Sie anders sind?

Ich habe schon bei meiner Bewerbung ganz deutlich gemacht, dass ich mich jetzt nicht künstlich von Angela Merkel absetze. Und das tue ich auch nicht. Wir haben viele Punkte, bei denen wir gemeinsame Auffassungen haben, aber auch das eine oder andere, wo wir uns sicherlich auch ähneln, trotzdem waren wir von Anfang natürlich immer sehr unterschiedliche Personen. Ich habe eine andere Art zu kommunizieren, bin in manchen Punkten deutlicher. Als Parteivorsitzende kann ich auch in manchen Punkten deutlicher sein. Eine Kanzlerin muss immer Rücksicht auf das Amt und zum Beispiel internationale Situationen nehmen. Und darin steckt ja im Moment die Chance für die CDU mit Blick auf die Profilbildung der Partei: Da ist eben eine Parteivorsitzende, die im Moment auf diese Dinge keine Rücksicht nehmen muss. Das ermöglicht es mir, manche Dinge, die Angela Merkel vielleicht genauso sieht, deutlicher auszusprechen als sie das vorher konnte.

Das heißt, Sie nutzen die Gelegenheit, jetzt, wo sie noch nicht Bundeskanzlerin sind, die Grenzen neu zu kennzeichnen?

Ich nutze die Gelegenheit, egal, was in der Zukunft kommt, um die Partei so aufzustellen, dass wir inhaltlich, personell, aber auch organisatorisch jederzeit in der Lage wären, wenn Entscheidungen anstehen und Wahlen kommen sollten, diese so zu gestalten, dass wir in die Verlegenheit kommen, wieder einen Regierungschef oder eine Regierungschefin zu stellen. Deswegen haben die Delegierten mich auf dem Parteitag gewählt und diese Aufgabe nehme ich auch sehr ernst.

Frau Kramp-Karrenbauer, wir haben jetzt 100 Tage „AKK“ hinter uns. Wie fällt ihre persönliche Bilanz aus?

Ich bin insgesamt sehr zufrieden. Denn die Aufgabe war, nach dem spannenden Parteitag deutlich zu machen, dass diese Partei zusammensteht, dass wir gemeinsam mit der CSU insbesondere in den Europawahlkampf gehen. Wir haben erste inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, beim Werkstattgespräch zur Migrations- und Flüchtlingspolitik, aber auch jetzt in der Europapolitik und wir haben uns noch einige Themen vorgenommen – also insofern ein ganz guter Start. Aber es ist noch viel zu tun.

Da Sie gerade das Werkstattgespräch zur Flüchtlingspolitik erwähnen: Im Wahlkampf für den Parteivorsitz hatten Sie gefordert, straffälligen Asylbewerbern die erneute Einreise in den Schengen-Raum lebenslang zu verwehren. Sind Sie weiter an dem Thema dran?

Wir werden jetzt im Rahmen des Europa-Wahlprogramms darüber reden. Es ging darum, dass diejenigen – egal in welchem Status – die hier schwerste Gewalttaten begehen, das Land verlassen müssen, entweder bevor sie die Haft antreten oder nachdem sie die Haft abgesessen haben. Das ist heute schon möglich. Ich bin nur der Meinung, wenn wir Schengen wirklich als gemeinsamen Sicherheitsraum ausgestalten wollen, dann muss dieses Wiedereinreiseverbot nicht nur für Deutschland gelten, sondern für den gesamten Schengenraum. Das ist rechtlich möglich und ich würde mich sehr freuen, wenn wir das als CDU/CSU wirklich auch ins Wahlprogramm aufnehmen.

Sie hatten beim Parteitag in Hamburg gesagt, die Themen bzw. politischen Entscheidungen müssten ihren Weg von der Partei in die Fraktion und dann zur Regierung nehmen – nicht umgekehrt. Sprich, die Partei sollte nicht mehr nur mit dem klarkommen müssen, was die Regierung entscheidet, sondern auch selbst Akzente setzen. Läuft diese Strategie inzwischen an?

Natürlich gibt es Themen, die aus der Tagesaktualität kommen und Regierungshandeln bzw. Fraktionshandeln sind. Aber ich glaube, es war wichtig, dass die Partei jetzt einen europapolitischen Aufschlag gesetzt hat, dass die Partei jetzt diejenige ist, die sich mit dem Artikel 13, also dem Urheberrecht im Internet, auseinandersetzt und Vorschläge gemacht hat, wie man dies national umsetzen kann. Damit hat die Partei auch einen Konflikt entschärft. Das zeigt, diese Partei will inhaltlich Duftmarken setzen, will arbeiten. Insofern glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.

Sie hatte im Interview mit dem Magazin der Jungen Union gesagt, Sie bzw. die Partei wären gerne „Herrin der Bilder“ und würden auch ihre Nachrichten selbst produzieren. Verschiedene Journalistenverbände befürchten die Beschneidung ihrer Arbeitsmöglichkeiten, wenn Sie in der Partei künftig einen so genannten „Newsroom“ für eigene Bilder und Nachrichten einrichten. Was ist da dran?

Darum geht es überhaupt nicht. Ich glaube, wenn man in diesen Zeiten ein wenig um uns herum schaut, leider auch in Europa, dann weiß man, was ein unabhängiger Journalismus wert ist. Die CDU hat sich immer dazu bekannt und wird sich auch weiter dazu bekennen. Aber ein „Newsroom“-Konzept ist im Übrigen etwas, das sich mittlerweile jeder überlegt, der mit moderner Kommunikation arbeitet. Es geht ja vor allem darum, dass man unterschiedliche Kanäle nutzt. Und natürlich muss eine Partei ihre Botschaften, insbesondere auch an ihre Mitglieder, sehr schnell und sehr authentisch verbreiten können. Und wenn wir jetzt zum Beispiel eigene Diskussionsformate produzieren – insbesondere für unsere Mitglieder aber auch live gestreamt, so dass sich Interessierte das anschauen können – dann schließt das kritischen Journalismus aus meiner Sicht in keinster Weise aus.

Es geht Ihnen demnach um die interne Kommunikation in der Partei und bei ihren Anhängern und nicht darum, die Schlagzeilen zu bestimmen, indem man Journalisten ausschließt und die Nachrichten selbst generiert?

Nein, überhaupt nicht.

Stichwort Presse: Anders als früher im Saarland stehen Sie nun überall auf der bundespolitischen Bühne, egal, ob Sie in Berlin oder in einem deutlich kleineren Ort in Deutschland auftreten. Stört sie das bzw. beeinflusst sie das in ihrer Wortwahl?

Das ist ein Fakt, mit dem man umgehen muss und an das man sich auch gewöhnen muss. Es darf allerdings nicht dazu führen, dass man dann im Grunde genommen bereits eine vorgeschaltete Zensur im Kopf hat. Denn wenn man das zulässt, verliert man auch seine Authentizität. Die ist mir sehr wichtig. Deswegen ist es immer ein schmaler Grat zwischen der Frage, wo glätte ich sozusagen meine Sprache, damit es möglichst wenig Angriffsfläche gibt und wo würde das dazu führen, dass man selbst inhaltliche Positionen aus seiner eigenen Persönlichkeit aufgeben müsste. Natürlich gibt es einige Menschen, die ganz bewusst nach bestimmten Formulierungen suchen – wir stecken in einer politischen Auseinandersetzung, da darf man nicht naiv sein. Ich glaube aber, dass wir in der Politik eine gewisse Echtheit brauchen. Und wenn diese Echtheit das eine oder andere Mal zu einer Auseinandersetzung führt, dann muss man das Risiko eben kennen und bereit sein, damit zu leben. Und das bin ich.

Von EIC