Berlin, 25. März 2011: Eine gute Opposition treibt die Bundesregierung vor sich her, sagt man in Berlin. Die Linke-Abgeordnete Yvonne Ploetz gehört zu jener Gruppe von Oppositionspolitikern, die diese Aufgabe offensichtlich sehr ernst nimmt. Dies dokumentiert nicht nur die satt zweistellige Anzahl von Anfragen, die sie seit ihrem Parlamentseintritt vor einem Jahr immer wieder an die Bunderegierung gerichtet hat. Auch außerparlamentarisch ist Ploetz überaus engagiert. Die 26-jährige Saarbrückerin gilt als eine der schlagkräftigsten Stimmen gegen Jugendarmut. Zusammen mit einem breiten Bündnis an Kooperationspartnern geht sie mit einer eigens entwickelten Kampagne gegen das Problem vor. „Gegen Jugendarmut!“ heißt die Veranstaltungsreihe, die auf das Problem aufmerksam machen und für entsprechende Lösungsansätze sorgen soll.

„Im Durchschnitt ist fast jeder fünfte Jugendliche in Deutschland arm oder von Armut bedroht. Bei den unter 18-Jährigen lag die Armutgefährdungsquote im Jahr 2009 bei 18,7 Prozent. Bei den 18 bis 25-Jährigen waren sogar 22,9 Prozent betroffen. Das ist ein unerträglicher Zustand“, sagt Yvonne Ploetz. Interessanterweise liegt die durchschnittliche Amutsquote der Gesamtbevölkerung laut Statistischem Bundesamt bei 15 Prozent. Die Jugendlichen leiden also wesentlich stärker unter dem Armutsproblem als alle übrigen Altersgruppen. Die entsprechenden Zahlen ergeben sich aus einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ploetz an die Bundesregierung von Ende März dieses Jahres. Für das Saarland ergibtt sich bei den 18- bis unter 25-Järhigen gar eine Armutsquote von satten 24,6 Prozent. „Diese Quote ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Niedriglohnsektor im Saarland stärker als in anderen Bundesländern ausgebaut ist,“ meint Ploetz. AndererFaktoren, die das Problem der Jugendarmut regelmäßig zusätzlich begünstigen sind die vielzitierten unbezahlten Praktika, Niedriglohnjobs, Leiharbeit und Zeitverträge.

„Mit unserer breit angelegten Veranstaltungsreihe wollen wir auf das Problem aufmerksam machen, die Öffentlichkeit sensibilisieren und ein entsprechendes Bewusstsein schaffen. Das ist die erste Voraussetzung, um an den bestehenden Zuständen etwas zu ändern,“ sagt Dagmar Trenz, jugendpolitische Sprecherin der Linken im Regionalverband Saarbrücken, die sehr engagiert an der Organisation der Reihe mitwirkt. Und der Zuspruch zu den Vorträgen und Events der Kampagne ist groß. Bereits bei der ersten Vortragsveranstaltung im März, als Prof. Dr. Roland Merten (Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) einen Einblick in die sozialen Ursachen der Jugendarmut vermittelte und zugleich Möglichkeiten einer neuen, sozial ausgewogenen Politik aufzeigte, lief die Interessierten in Scharen auf. Am 28. April folgt im Jugendhaus Dillingen demnächst die zweite Veranstaltung unter dem Thema „Gesichter von Jugendarmut“, in der Ronald Lutz, Professor an der Fakultät für Sozialwesen an der Fachhochschule Erfurt, die Lebenssituation junger Erwachsener darlegt und Wege aus der Armutsfalle vorstellt.

„Auszugsverbot“
Die vielfältigen Aspekte der Jugendarmut sind trotz des gerade vergangenen „Europäischen Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ (2010) in weiten Teilen der Bevölkerung tatsächlich nicht bekannt. Ein Grund dafür könnte in dem überaus aussagekräftigen Zitat der Kriminologin Ute Claas liegen, das diese einst im Magazin Focus äußerte: „Erwachsene beschäftigen sich zu wenig mit den Problemen von Jugendlichen, sondern viel mehr mit den Problemen, die ihnen Jugendliche machen.“
Wer weiß denn schon, dass erwerbslose junge Menschen, die zwar volljährig, aber noch nicht 25 Jahre alt sind, grundsätzlich mit einem sogenannten „Auszugsverbot“ belegt sind und damit in der familiären Bedarfsgemeinschaft verhaftet bleiben? Ein Auszug ist für diese Jugendlichen dann meist nur noch bei besonders schwerwiegenden sozialen Gründen möglich. Diese hat der Jugendliche gegenüber dem Amt natürlich transparent nachzuweisen. Etwas anderes gilt für Abiturienten, die ein Studium beginnen und dadurch in die BAFöG-Förderung wechseln. Wer allerdings gegen seinen Willen zu Hause wohnen bleiben muss, für den dürften nicht selten sich verschärfende familiäre Konflikte oder auch Themen wie Ausbildungsabbruch oder gar Wohnungs- und Obdachlosigkeit aktuell werden.

4,13 Euro für gesunde Ernährung
Schon etwas bekannter und ebenso heiß diskutiert ist das Thema Ernährung und Gesundheit im Bereich der Jugendarmut. Unvergessen sind hier natürlich die oft zitierten Äußerungen Thilo Sarrazins, der im Frühjahr 2008 in seiner damaligen Funktion als Berliner Finanzsenator zu Protokoll gab: „Man kann sich vom Transfereinkommen vollständig, gesund und wertstoffreich ernähren“. Das sieht die Linke ganz anders. Im Interview mit der Agentur ET-Media, Berlin erklärt Yvonne Poetz: Jugendliche ab 15 Jahren erhalten einen Tagessatz von 4,13 Euro für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke. Als Bundestagsfraktion haben wir beim Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund eine Studie in Auftrag gegeben, die die Kosten einer gesunden Ernährung für Kinder und Jugendliche ermitteln und bewerten sollte. Die Wissenschaftler ziehen das Fazit, dass ein Betrag von 4,13 Euro pro Tag oft überhaupt nicht ausreichend ist.“ In der Studie vom Dezember 2010 heißt es dazu wörtlich: Die Regelsätze seien für eine gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen dann ausreichend, „wenn der Aufwand betrieben wird, konsequent immer die jeweils preiswertesten Lebensmittel zu kaufen und dabei auch Preise verschiedener Einkaufsmöglichkeiten zu vergleichen. Wird diese Forderung gelockert, und werden nur die preiswertesten Produkte in ein und derselben Einkaufsstätte gekauft, reichen die Regelsätze im Jugendlichen-Alter nicht aus, auch wenn von einer niedrigen körperlichen Aktivität ausgegangen wird.“ In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, wie die Situation regelmäßig für diejenigen Bürger aussieht, die im ländlichen Raum wohnen und denen aufgrund dieser Tatsache eben keine große Auswahl erreichbarer, unterschiedlicher Einkaufsmöglichkeiten zur Verfügung steht.

Sanktionen
Zu diesen Problemen kommen weitere Aspekte wie zum Beispiel ein eigenes Sanktionsrecht hinzu. Dieses fällt bei Jugendlichen deutlich schärfer als jenes, das bei Erwachsenen zur Anwendung kommt, aus. Wer beispielsweise als Jugendlicher eine von der Arbeitsverwaltung zugewiesene Maßnahme nicht antritt oder abbricht, dem kann der Leistungsbezug sofort um 100% für drei Monate gekürzt werden. Bei einem zweiten Vergehen folgt dann etwa die Streichung der Heizungskosten und der Miete.

Haltung der Bunderegierung
Wie reagiert eigentlich die Bunderegierung auf der Problem der Jugendarmut? Hier gibt es unter anderem das Modellprogramm „Jugend stärken: Aktiv in der Region“. Mit dem Programm bündelt das Bundesfamilienministerium alle bereits vorhandenen Angebote für Jugendliche, die Unterstützung brauchen, und stärkt damit gleichzeitig die Jugendpolitik in den Kommunen, heißt es auf der entsprechenden Homepage des Ministeriums. Im Grundsatz ist das Programm ein guter Ansatz, das findet auch die Abgeordnete Yvonne Ploetz: „Die Initiative „Jugend stärken“ ist ein notwendiges, wertvolles und sehr erfolgreiches Programm zur sozialen und beruflichen Integration benachteiligter Jugendlicher. Leider plant das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herbe Einschnitte im Sommer dieses Jahres. Fördergelder sollen drastisch gekürzt werden. Ich werde mit ganzer Kraft dafür kämpfen, dass die Initiative mindestens in gleicher Höhe weiter gefördert wird, denn es kann nicht heißen „Jugend nur mit halber Kraft stärken“.
Für Yvonne Ploetz und ihre zahlreichen Kooperationspartner gibt es also noch viel zu tun. Dass sich das stetige Engagement lohnt zeigt ein wichtiger Erfolg der Linken aus dem vergangenen Jahr. Dazu Dagmar Trenz: „Steter Tropfen höhlt den Stein: Die Linke hat im Deutschen Bundestag zum Beispiel mehrfach Anträge gestellt, damit jugendliche Hartz IV-Empfänger ihr Einkommen aus Ferienjobs auch behalten dürfen. Im Sommer 2010 hat sich die Bundesregierung dann endlich entsprechend entschieden: Die betroffenen Jugendlichen dürfen nun 1.200 Euro verdienen, die nicht auf die Regelleistung angerechnet werden. Zuvor wurde bereits jeder Betrag, der über 100 Euro hinausging, im Regelsatz der Familie angerechnet. Dementsprechend gab es für die jugendlichen Regelleistungsempfänger keine gesetzlichen Möglichkeiten, ihre finanzielle Situation zu verbessern.“

Mitarbeit
Wer an der Kampagne „Gegen Jugendarmut!“ mitarbeiten möchte

Von EIC