Zugegeben, in ihrer Anfangszeit war die Computerwelt durchaus eher eine klassische Männerdomäne. So baute der Berliner Konrad Zuse 1941 den ersten funktionstüchtigen Computer, Bill Gates gründete 1975 das Unternehmen Microsoft, Jack Tramiel brachte 1982 den legendären Computer C-64 auf den Weg und Steve Jobs machte einige Jahre später schließlich die Garagenfirma Apple zu einem Weltkonzern. Inzwischen hat sich die frühe Welt der Datenverarbeitung, bei der vor allem das Programmieren gefragt war, jedoch entscheidend verändert.
Heute spricht man nur noch von der Informationstechnologie – kurz: IT – oder auch der Digitalwirtschaft, bei der es neben der Computer-Hardware vor allem auch um digitale Dienste wie Apps oder andere Software geht. Die Branche ist vielfältiger geworden und bietet so insbesondere Frauen deutlich mehr Chancen und Perspektiven als andere Wirtschaftszweige. Dazu erklärt Harald R. Fortmann, beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zuständig für die Arbeitswelt der Zukunft: „Zum einen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern in dieser Branche aufgrund der stark digitalisierten Arbeitsweise einfacher umzusetzen. Zum anderen hat der akute Fachkräftemangel in der Branche die Umsetzung etwa von Teilzeitangeboten, Job-Sharing-Angeboten et cetera beschleunigt.“
Damit benennt Fortmann einen Vorteil, den die Digitalbranche im Gegensatz zu Jobs mit täglicher Präsenzpflicht am Arbeitsplatz aufweist. Anders als etwa bei der Arbeit in Ladengeschäften oder bei Beratungstätigkeiten mit starkem Kundenkontakt geht es in der IT oft vielmehr darum, ein solides Arbeitsergebnis abzuliefern statt nachzuweisen, dass man seine Arbeitsleistung mit einer fixen Stundenanzahl im exakten Zeitraum zwischen 9 und 18 Uhr erbracht hat. Wer in der IT-Branche tätig ist, kann Teile seiner Arbeitszeit häufig im „Home Office“, also zu Hause am Schreibtisch, verbringen. Auch die Wartung oder Reparatur eines Computersystems kann inzwischen größtenteils von außen erfolgen, ohne dass ein Softwareexperte dazu den Kunden zu Hause besuchen müsste. Für die Arbeitnehmer bedeutet dies Flexibilisierung pur – und zwar in einem guten Sinne.
28 Prozent Frauenanteil: ein Plus von vier Prozent
Die wachsende Attraktivität schlägt sich langsam in den Beschäftigungszahlen nieder. Einer Arbeitsmarktstudie des Branchenverbandes Bitkom zufolge ist der Anteil der Frauen in der IT-Branche zuletzt leicht gestiegen. Im Jahr 2017 waren 28 Prozent aller Mitarbeiter in der IT Frauen – immerhin ein Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2015.
Dass sich die Arbeitswirklichkeit von Frauen in der IT positiv entwickelt hat, sieht auch Ute Blindert so, die unter anderem als Beraterin zum Thema „Netzwerken in digitalen Zeiten“ und als Autorin tätig ist. Zudem gehört Blindert den „Digital Media Women“ (DMW) an, dem Netzwerk für Frauen in der Digitalbranche. Die Nachfrage nach Fachkräften sei sehr groß: „Wer ein Informatik-Studium vorweisen kann und praktische Erfahrungen in begehrten Feldern hat, kann sich seine Jobs quasi aussuchen“, sagt Blindert. „Dazu kommt, dass viele Arbeitgeber verstanden haben, dass gemischte Teams oft besser arbeiten und auch bessere Ergebnisse liefern – und dafür braucht man nun mal Frauen.“ Zudem wollten viele Unternehmen auch ihre Führungsmannschaften diverser aufstellen und suchten auch dafür nach passenden Kandidaten.
Die Zahl der weiblichen Führungskräfte hat sich insbesondere in den großen IT-Konzernen zuletzt deutlich erhöht. Das operative Geschäft des sozialen Netzwerks Facebook wird beispielsweise seit 2008 von der US-Amerikanerin Sheryl Sandberg geleitet. Geschäftsführerin des führenden Videoportals YouTube ist ebenfalls eine Frau, Susan Wojcicki, und auch hierzulande wird eines der wichtigsten Software-Unternehmen erstmals von einer Frau geführt: Microsoft Deutschland. Dort hat Sabine Bendiek seit Januar 2016 den Chefposten inne.
Doch noch lange nicht kann von einer hälftigen Aufteilung der Jobs auf männliche und weibliche Mitarbeiter in der Digitalwirtschaft gesprochen werden. Das gilt sowohl für die raren Führungspositionen als auch für den Bereich des Codings – also des Programmierens. Hier setzt die Republica mit ihrem Themenkomplex „Female Digital Foodprint“ an.
In gut zwei Dutzend Veranstaltungen will die Konferenz die Position der Frauen in der Digital- und Tech-Branche stärken und den Expertinnen eine Bühne bieten. Dabei richtet sich der Aufruf zur Teilnahme nicht nur an Frauen, sondern auch an Lesbian-, Gay-, Bi-, Trans-, Inter-, Queer- und sich anders definierende Menschen. Hierzu zählen auch die inzwischen oft zitierten „Non Binary“. Das sind jene Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht exakt in das binäre System aus männlich und weiblich hineinpasst.
Inhaltlich soll es bei den Panels um Themen wie die Frauenquote, Entgeltgleichheit oder Sexismus gehen. Auch die Sichtbarkeit von Frauen im Web ist ein Thema, denn die reichweitenstärksten Blogs und die meisten Follower auf Twitter haben immer noch die Männer. Ansonsten gilt: Die Macher der Republica kommen dem Ziel einer ausgewogenen Beteiligung der Geschlechter an der Digitalkonferenz mittlerweile schon sehr nahe. Bereits 2017 lag die Frauenquote der mehr als 1.000 Redner bei 47 Prozent.
Insgesamt haben die Berufe in der Digitalwirtschaft ihr Nerd-Image mehr und mehr verloren. Harald R. Fortmann hat dazu den Satz „Vom Keller auf den Laufsteg“ geprägt, der die heutige Situation zutreffend darstellt. Fortmann: „Waren in den 90ern und Anfang dieses Jahrhunderts die IT-Nerds noch diejenigen, die man in den Keller verfrachtete und mit Pizza und süßen Erfrischungsgetränken fütterte, aber auf keinen Fall in die Nähe eines Kunden brachte, sind heute kaum noch Unterschiede zwischen Marketingmitarbeitern und IT-Fachkräften zu spüren.“ Ein Marketingchef eines Unternehmens ohne IT-Verständnis sei 2018 ebenso undenkbar wie ein Technischer Leiter ohne Marketingverständnis.
Programmiererin Maren Heltsche, die ebenfalls den „Digital Media Women“ angehört, begrüßt die Entwicklung weg vom Nerd-Image ausdrücklich: „Moderne Softwareentwicklung ist auf Kommunikation und Interaktion angewiesen. Hier stehen das Team, seine unterschiedlichen Perspektiven und die Zusammenarbeit im Vordergrund, nicht der oder die Einzelne versteckt hinter dem Rechner.“ Ein Informatik-Studium sicherte früher den Zugang zu den begehrten Jobs der bekannten Softwareschmieden, ist aber heute kein absolutes Muss mehr. Heltsche: „Es gibt immer mehr Möglichkeiten und Initiativen, einen Quereinstieg in die IT zu finden. Das Spektrum reicht von kostenfreien und selbstorganisierten Lernmöglichkeiten wie etwa bei der Initiative Rails Girls, bis zu kostspieligen Coding-Bootcamps oder privaten Studiengängen. Diejenigen, die praktische Erfahrungen in der Softwareprogrammierung vorweisen können, haben gute Chancen auf einen Zugang zur IT-Welt.